1.2 Zart Bleiben - mit Tarik Tesfu

Shownotes

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Cover Foto: Porträt von Tarik Tesfu im Rahmen: Kristina Kast Musik: „Dark Water“ – Ben Ross Davis www.benrossdavis.com Voice-ID: Kaey www.instagram.com/one_letter_kaey

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Transkript Zart Bleiben Folge 1.2 Tarik Tesfu

Zweite Folge! Herzlich Willkommen zurück. Mein Name ist Fabian Hart und das hier ist „Zart Bleiben – der Podcast über Männlichkeiten”. Heute geht es hier um Tische und Kuchen und andere Metaphern für Teilhabe, aber nicht nur! Um was es mir hier übrigens niemals geht ist Männer runterzumachen und auch nicht Männlichkeit per se, also alle Eigenschaften, die in unserer Kultur für Männer gelten. Sondern ich plädiere für eine neue Freiheit fernab von den Zuschreibungen, dass männlich sein bedeuten muss immer stark zu sein, keinen Schmerz kennen zu dürfen und auch keine Tränen, immer das Wort zu führen, immer eine Antwort parat zu haben, voll auf Risiko zu gehen, Gewalt anzuwenden um Stärke zu zeigen und sich immer zu beweisen und sein Geschlecht. Das ist für alle Menschen ungesund, für alle Geschlechter und führt auch bei Männern zu Frust und der muss ja irgendwie abgebaut werden und auch all die unterdrückten Emotionen außer Wut. Das bekommen dann eben meistens Frauen ab, queere Personen, schwächere Männer. Aber auch für die Traditionalisten ist diese Männlichkeit schädlich, weil sie die eigentliche Persönlichkeit unterdrückt und limitiert. „Zart Bleiben” setzt genau an diesem Punkt an und macht sich für eine diverse Männlichkeit, also Männlichkeiten stark oder wird für sie schwach und erinnert daran, dass wir alle Zartgeborene sind.

Bevor wir starten muss ich kurz loswerden, dass ich mich unglaublich freue über den Nachhall der ersten Folge. Warum habe ich eigentlich so lange gewartet mit diesem Podcast? Ahja, da war doch was. Die Stimme im Kopf, die gesagt hat „bisschen late to the party, oder?” Aber eure Rückmeldungen haben meinem inneren Saboteur ordentlich Paroli geboten und deshalb teile ich hier auch ein paar Feedbacks zur Folge mit Sibylle Berg: Zum Beispiel hat Ingo eine unglaublich lange Email geschrieben. Hier ein Auszug: „Bei Begrifflichkeiten wie „toxische Männlichkeit” sowie „fragiler Männlichkeit” bin ich stets ein wenig skeptisch. Du, jedoch, schaffst es, diese zu kolportieren, dass sie kein Angriff auf das Bestehende sind und stellst trotzdem klar, dass du dir eine andere Wirklichkeit wünschst und dafür eintrittst, um männlicher Sanftheit einen Raum zu geben.” Und Sabrina hat geschrieben: „Ich habe lange mit Jugendlichen gearbeitet und gesehen, wie sehr die Rolle, in die Jungs gedrängt werden, ihnen schadet und sie und andere gefährdet. Bei meiner Arbeit hieß es dann oft: Gewalt ist die einzige Ressource die Jungs kennen….” Nelya schreibt „Sibylles Anmerkungen nach einer gender-freien Welt fand ich auch einen wichtigen Punkt, also das Hinterfragen des Konstruktes an sich. Das ist das Ziel, aber we’re not there.” Patrick schrieb „Hallo Fabian, komme gerade vom Einkaufen und kann dir beim besten Willen nicht mehr sagen, was ich im Beutel habe. Ich habe mich komplett in deinem Gespräch mit Sibylle Berg verloren.” Und Lukas hat gefragt „Wirst du in Zukunft die Folgen noch mehr thematisch variieren? Also zum Beispiel eine Folge über Männlichkeitsbilder auf Instagram zum Beispiel?” Ich fände es wichtig auf verschiedene Männlichkeitsbilder einzugehen.

1000 Dank für all das Feedback. Ich lese das wirklich alles und beantworte auch jede Nachricht, also bisher. Und Lukas, die individuell persönlichen Erfahrungen und Anforderungen mit und an Männlichkeit ergeben sich durch die GesprächspartnerInnen einer jeden Folge. Genau so auch heute. Ich beschäftige mich seit Jahren mit traditioneller Männlichkeit und mit neuer, divers gedachter Männlichkeit, spreche mit so vielen Leuten darüber – interviewe so viele Menschen, lese alles was auf den Screen passt und ins Buchregal, zeige Definitonen von Männlichkeit auf Social Media und schreibe über eigene Erfahrungswerte, etwa für Vogue.DE mit Das Neue Blau. Warum ist Weinen für Männer der Endgegner? Warum träumen so viele Mädchen und Frauen davon Prinzessin zu sein, aber Jungs und Männer nie davon ein Prinz zu sein? Warum bekommt man als Mann immer das Bier serviert, selbst wenn das eine Freundin bestellt hat, mit der ich an einem Tisch sitze? Kann man stolz darauf sein queer zu sein, obwohl man doch dafür eigentlich nichts kann? Viele dieser Geschichten sind sehr eng mit meinen Erlebniswerten verknüpft, für manches fehlt mir ganz einfach die Absenderkompetenz. Was nicht bedeutet, dass es mich nicht betrifft. Etwa wenn es darum geht, Männlichkeit in einer anderen Hautfarbe zu erfahren. Denn sind wir mal ehrlich: traditionelle Männlichkeit ist eben auch sehr Weiß gedacht. Men of Color und Schwarze Männer erleben eine andere Erwartungshaltung an ihre Männlichkeit als weiße Männer. Wir alle kennen das Narrativ in Filmen und Serien, dass Schwarze Männer eher die harten Kerle sind, „thugs” aggressive, gesetzlose Männer. Aber das wird natürlich nicht nur auf Bildschirmen unterstellt. „Racial Profiling” ist für People of Color und Schwarze Menschen ein täglicher Generalverdacht kriminell zu sein. Rassismus ist aber auch, die gut gemeinte Idee vom Schwarzen Mann, der immer voll sportlich ist oder richtig dominant. Ihr werdet solche Sprüche in eurem Bekanntenkreis sicherlich auch schon gehört haben. Oder in der Familie. Oder im Bus. Oder im Job. Wichtig ist dann die Leute darauf hinzuweisen. Sie zu konfrontieren, wenn es euch selbst nicht in Gefahr bringt. Darüber spreche ich heute auch mit meinem Gast Tarik Tesfu, aber natürlich nicht nur darüber. Es wird auch um seine eigene Talkshow gehen, die Halbwertzeit von Skinny Denims und warum ich als weißer schwuler Typ ganz kurz vorm alten weißen Mann stehe. Aber davor gehen wir in die Werbung.

Werbung I Dr. Hauschka Wie schon in Folge Eins von “Zart Bleiben” stelle ich euch an dieser Stelle meinen Werbepartner für die komplette erste Staffel vor: Dr. Hauschka, nicht nur für mich DIE Naturkosmetik Nummer Eins... Letztes Mal ging es unter anderem um den hauseigenen Heilpflanzengarten und die Demeter-Felder in der Schwäbischen Alb, denn wie auch ich ist Dr. Hauschka in BaWü / Baden-Württemberg verwurzelt, aber eben nicht nur. Denn klar gibt es auch Rohstoffe, die nicht in Eckwälden wachsen. Zum Beispiel der tropische Wunderbaum – den gibt es wirklich und das ist ein – passt auf, es wird noch besser – “Wolfsmilchgewächs”. Das klingt ganz schön hart und zart auf einmal und deswegen hab’ ich mir den auch ausgesucht. Die Früchte sind rot, sanft, stachelig, schaut euch den mal im Netz an. Jedenfalls wird aus diesem tropischen Wunderbaum Öl gepresst und das kennt ihr wiederum alle: Rizinusöl. Rizinusöl wird bei Dr. Hauschka unter anderem für Lippenpflegestifte eingesetzt – wir lieben Lippenpflege! – oder zum Beispiel im Augenbalsam. Dr. Hauschka hat vor über zehn Jahren damit begonnen das erste kaltgepresste Rizinusöl in Bioqualität zu produzieren und zwar in Kutch, einer Region in Nordindien. Das “Fair For Life”-Siegel zertifiziert nicht nur den fairen Handel des fertigen Produktes, sondern auch den sozialverträglichen, umweltfreundlichen Anbau – schließlich gehört Dr. Hauschka zum Stiftungsunternehmen WALA. Mehr über die Anbaupartnerschaften könnt ihr auf Dr. Hauschka.de nachlesen, unter der Rubrik “Kosmos”. Später reisen wir gleich wieder von Indien zurück nach Deutschland, genauer in mein Badezimmer nach Hamburg. Dann reden wir noch über mein aktuelles Pflegeverhalten. Aber jetzt geht’s erstmal los mit “Zart Bleiben und Tarik Tesfu”.

Tarik Tesfu kenne ich schon seit Jahren, aber wir haben uns bisher erst einmal persönlich getroffen, das war bei der Premiere von „Queer 4 You“ in Berlin und seitdem sind wir uns auch nur wieder über den Weg gescrollt. Das Interview, das ihr gleich hört, haben wir schon vor ein paar Wochen geführt, so als Lockdown-Konversation. Ich fand es war einfach an der Zeit, dass wir uns mal länger treffen, wenn auch nur im digitalen Studio. Vielleicht hört ihr zwischendurch ein paar Glitches, für die ich mich an dieser Stelle entschuldigen möchte. Tarik Tesfu ist Entertainer mit Auftrag, also so eine Art Infotainer, ich liebe seinen Humor, vor allem seine sarkastisch geführten Selbstgespräche als “gute Deutsche MitbürgerInnen”, die irgendwie finden, dass Christian Lindner dann doch eine „sexy Maus“ ist und sich fragen, ob man noch Schwarzbrot sagen dürfe. Tarik ist Moderator seiner eigenen Show „Trallafiti”, eine Late Night Show, in der er sich mit Themen des Feminismus befasst, er spricht auch über Rassismus, Queer- und Homophobie. Er hat Publizistik- und Kommunikationswissenschaft studiert und Gender Studies und 2015 hat er das in „Tariks Genderkrise” auch auf YouTube befeuert. Mittlerweile hat „Trallafiti” Prio und damit will er „dem Patriarchat eins auf die Mütze knallen”. Schön, dass er sich für „Zart Bleiben” Zeit genommen hat:

Interview Tarik Tesfu: 
Fabian Hart: Ich freue mich so, dass du heute hier zu Gast bist. Ich hatte dich angerufen vor ein paar Wochen und gefragt, ob du Lust hättest mit dabei zu sein. Da hast du dann gesagt, dass du eigentlich keine Lust hättest über Männlichkeit zu reden, weil Männern sowieso schon so viel Plattform geboten würde und die sowieso die Welt regierten… Ich hoffe du weißt jetzt, das wir hier kein Männerclub sind, der Männer in Opferrollen zwängt und wir versuchen hier auch nicht das Patriarchat zu sichern. 
Tarik Tesfu: Das habe ich mir schon gedacht, weil du ja auch die Anfrage gestellt. Das ist auch ein Grund, warum ich das natürlich auch sehr, sehr gerne mache und mich sehr, sehr freue, hier Teil dieses Piloten sein zu dürfen, weil ich deine Arbeit auch sehr, sehr schätze. Wir hatten uns ja auch erst einmal richtig gesehen, sonst kenne ich dich ja auch nur von Instagram. Da dachte ich, jetzt hast du mal die Möglichkeit mit dem Fabian ein bisschen zu plappern. Und wenn es um Männer geht, warum nicht? 
Fabian: Da freue ich mich sehr. Und du hast ja auch gerade geschrieben, dass deine Trallafitti-Show in die nächste Runde geht. Gemeinsam mit dem „Missy Magazine“ und dem queeren Berliner Club "Schwutz" stellst du das auf die Beine. Auf der Instagram-Seite von „Trallafitti“ steht, dass du mit der Show dem Patriarchat eins auf die Mütze geben möchtest. Insofern sitzt du ja dann doch genau richtig hier. Wie genau gibst du dem Patriarchat eins auf die Mütze? 
Tarik: Ich mache das, indem ich nicht mehr die Fragen stelle: „Gibt es Sexismus?“, „Gibt es Rassismus?“, „Gibt es Queer-Feindlichkeit?“ Davon müssen wir uns alle verabschieden. Wir müssen langsam mal dahin kommen: Wie lösen wir die Probleme? Meine Strategie ist, eine Late-Night-Show aufzubauen, die klassische Late-Night auch in Deutschland in Frage stellt. Bisher sind es fast ausschließlich Männer. Es sind Cis-Männer, es sind heterosexuelle Männer. Zumindest hat sich bisher noch niemand geoutet. Und die darf es auch gerne geben. Aber wie wäre es mal mit einer anderen Show? Eine andere Late-Night, in der ich als Schwarzer, queerer Typ irgendwie das Zepter in der Hand habe? Dann hole ich mir einfach richtig coole Leute auf die Bühne, die People of Color sind, und wir machen unser Ding und Comedy im Sinne von nicht nach unten treten, was ja Comedy besonders in Deutschland auch ziemlich viel macht. Wir treten nach oben und schnappen uns die Verantwortlichen, die in den Machtpositionen sitzen und vom Patriarchat immer noch profitieren. Und sagen Moment mal, es ist Zeit für Trallafitti!

Fabian: Dann bist du ja allein schon dadurch, dass du sichtbar bist mit dieser Talkshow eine Alternative und vielleicht sogar eine Provokation für traditionelle Männlichkeit. Denn du bist zweifach marginalisiert, sowohl durch deine Hautfarbe als auch durch dein Queersein. Inwiefern ist es für dich wichtig, ein Repräsentationsfigur zu sein? 
 Tarik: Repräsentation ist das „A und O“ meiner Arbeit. Du hast vollkommen recht: Allein meine Existenz im deutschen Mediensystem oder in der deutschen Gesellschaft ist schon ein politisches Statement. Als Schwarzer queerer Typ und dann auch noch als jemand, der sich auch Raum nehmen möchte in einer Gesellschaft, die eigentlich nichts wirklich „Bock“ darauf hat, dass man vorne mitmischt. Und meine Show ist halt auch genau das. Ich habe 2015 angefangen Videos zu machen. Und einer der Gründe war eben auch, dass mir in der deutschen Medienlandschaft einfach Menschen gefehlt haben, die entweder die gleiche oder eine ähnliche Lebensrealität haben, besonders bei ModeratorenInnen. Deswegen habe ich mir gedacht, dass wenn das irgendwie niemand übernimmt, dass ich dann versuche, das zu machen. Und früher, als ich Kind und Jugendlicher war, hat mir das auf jeden Fall einfach sehr gefehlt. Ich bin in VIVA Zeiten groß geworden, das heißt, dass es ja schon auch diverse ModeratorenInnen gab. Aber wenn ich jetzt sehe, wer hat denn diese MTV und VIVA Zeit „überlebt“? Dann sind das zum größten Teil die weißen ModeratorenInnen, etwa Joko und Klaas, die weiterhin mitmischen. Ab und zu darf Palina Rojinski bei denen um die Ecke kommen. Die Moderatorin Milka arbeitet natürlich auch noch in ihrem Job, aber nicht auf Joko- und Klaas- „Niveau“…

Fabian: …nicht im Sinne von Primetime…

Tarik: Genau. Und das Joko- und Klaas-Niveau, naja, das ist eine andere Geschichte. Mit Niveau meine ich nicht inhaltlich, sondern einfach Reichweite. Und wenn ich daran denke, als Schwarzer Typ, dass man mit so jemandem wie Jim Knopf groß wird. Als Kind hat mich Jim Knopf so richtig hart genervt, weil ich mir gedacht habe „Welcher Schwarze Mensch sieht so aus?“

Fabian: Jim Knopf sieht ja eher nach Karikatur aus…

Tarik: Ja, das ist so eine von Weißen gemalte Karikatur einer Schwarzen Person, die mich schon als Kind richtig hart genervt hat. So sehe ich nicht aus, so sieht meine Schwester nicht aus, so sehen meine Eltern nicht aus, so sieht niemand aus, den ich kenne. Gott sei Dank gibt es ja Instagram und Co. mittlerweile. Wenn ich mir meinen Feed ansehe, dann erzählen Leute, gerade auch aus der Medienbranche, dass sie Anderen ab und zu auch „eine Bühne geben“ wollen. Da denke ich mir: „Einfach mal die Klappe halten! Die Leute haben die Bühne schon. Ihr seht einfach nur nicht hin oder hört nicht gut genug zu!“ Deswegen ist auch Instagram für mich und meine Show so einfach krass Empowerment: „Hey, Ich mache das jetzt einfach und es ist total „nice“ das so zu machen, wie ich es mache.“ 
Fabian: Ich muss mich ganz oft daran erinnern, dass ich als schwuler, weißer Mann ja auch echt ganz knapp vor „alter, weißer Mann“ bin – bezogen auf meine Privilegien. Es ist fast schon nervig immer zu sagen „Ich bin mir meiner Privilegien bewusst“, weil sich das anhört wie eine Leier und eine allgemeine Entschuldigung für den Raum, den ich einnehme. Aber beispielsweise kann ich mich ja dafür entscheiden, wann ich dem traditionellen Bild von Männlichkeit entspreche und wann ich meine Queerness „rauslasse“. Das ist allein dadurch schon ein Privileg, das du beispielsweise nicht hast, weil du dich nicht entscheiden kann „Heute zeige ich, dass ich Schwarz bin, aber morgen nicht.“ Klassisches Beispiel UBahn. Ich merke, da sitzen Typen, die homophob sind. Da kann ich durch meine Sitzhaltung schon entscheiden, dass ich nicht als gay wahrgenommen werde… Wie gehst du mit Leuten um, die „woke“ sind und gute Absichten haben, aber irgendwie dann doch ganz schön ignorant sind? 
Tarik: Das Ding ist ja: wir sind alle ignorant. Wir sind alle irgendwie Teil des Problems. Ich verhalte mich auch rassistisch gegen nicht-weißen Menschen. Ich verhalte mich auch manchmal trans-feindlich oder queer-feindlich, weil wir es einfach alle so krass gelernt haben, dass man sich davon nicht befreien kann. Und wenn ich jetzt aufhören würde, Menschen Chancen zu geben, weil sie sich queer-feindlich, sexistisch, rassistisch oder wie auch immer sich verhalten, dann müsste ich auch mit mir selbst den Kontakt abbrechen. Das kann ja nicht das Ziel der Geschichte sein. Ich glaube, dass wir verstehen müssen, dass egal wie sehr wir uns vielleicht als progressiv verstehen, wie sehr wir uns vielleicht als Teil einer linken Protestbewegung verstehen, wie sehr wir uns innerhalb der LGBTQI-Community wohlfühlen, dass wir alle immer noch dazu beitragen, dass Diskriminierungen reproduziert werden. Und an dem Punkt, an dem wir uns das nicht eingestehen können, da beginnt für mich eigentlich die Ignoranz. Ab da wird es dann für mich, je nachdem, mit wem ich dann gerade spreche, auch schwierig. Ich habe natürlich ganz andere Ressourcen für meine FreundInnen, weil die ja einfach Teil meines Lebens sind. Und ich merke, dass allein durch mein gendern, allein durch meine Arbeit, die ich mache – die eigentlich alle schon richtig toll finden. (lacht)

Fabian: das ist sie auch!

Tarik: … alleine dadurch lernen die natürlich auch total viel. Eine Freundin von mir hat jetzt dafür gesorgt, dass bei ihr im Job gendern offiziell auf die Agenda gepackt wurde. Einfach dadurch, dass wir Zeit miteinander verbringen. Ich lerne aber auch so viel durch andere. Ich bin ja nicht der perfekte Mensch, der alles weiß, sondern fehlerhaft wie alle anderen auch. Ignoranz, wie gesagt, beginnt für mich, wenn man sich das nicht eingestehen kann. Und ich habe keine Ressource für irgendwelche UserInnen , die meinen, dass ich selbst ein Rassist sei, weil ich weiße Menschen „hassen“ würde. Die Zeiten sind vorbei, in denen ich gedacht habe, ich müsse jetzt alles irgendwie erklären. Dass Queerness geil ist, dass Geschlechterrollen divers sind, dass wir alle eigentlich divers aufgestellt sind. Dazu habe ich keine Lust mehr. Meine Aufgabe ist es nicht mehr so sehr aufzuklären. Die, die es nicht verstehen, sind für mich einfach raus. Mein primäres Ziel ist es, einfach zu empowern und zu sagen „Hey Leute, wenn ihr Bock habt am Kuchen zu naschen, dann nehmt euch ein Stück, weil wir haben diesen Kuchen alle verdient. Egal ob Schwarz, weiß, männlich, weiblich, inter*, nichtbinär, whatever! Alle sollen am Kuchen naschen.“ 
Fabian: Ich frage mich inwiefern es unsere Aufgabe ist, dafür zu sorgen, diese Männlichkeit zu „stürzen“ und inwiefern das realistisch ist…? 
Tarik: Ich finde schon total legitim sich das auf die Agenda zu setzen, dass auch Männlichkeit divers gedacht wird. Ich versuche mich einfach allgemein von dieser Idee zu lösen. Wir beide sind uns ja sowas von fix einig, dass Männlichkeit ein Konstrukt ist. Und weil eben Männlichkeit ein Konstrukt ist, würde ich dieses Konstrukt, soweit es geht, aus meinem Vokabular entfernen, denn: Ich würde eher von Charaktereigenschaften sprechen und es gibt sehr, sehr viele Charaktereigenschaften, die Menschen so haben können. Irgendwann hat irgendjemand, den ich nicht kenne – diese Person hat mich nie bei mir vorgestellt – entschieden, was von diesen Charaktereigenschaften typisch männlich sein soll und was von diesen Charaktereigenschaften bitteschön typisch weiblich sein soll. Und diese Menschen kamen auch gar nicht auf die Idee, dass Männlichkeit und Weiblichkeit das Ende von Gender ist… und dann wurde daraus ein gesellschaftliches Commitment. Natürlich gibt es Unterschiede zwischen Männern und Frauen, weil es Unterschiede zwischen Menschen gibt. Und natürlich zeigen mehr Männer eher männliches Verhalten, also männlich konstruiertes Verhalten und mehr Frauen bzw. Menschen, die sich als Frauen definieren, eher weiblich konstruiertes Verhalten. Das kommt aber daher, weil wir soziale Wesen sind und Menschen einfach gelernt haben, dass wenn ich mich männlich als Mensch, der als Mann gelesen verhalte, dann bekomme ich dafür eher Applaus. Wenn ich mich aber eher weiblich verhalte, dann bekomme ich dafür wahrscheinlich als Mann gelesene Person einen auf den Deckel. Und es wäre schon nett, wenn man nicht ganz scheiße gefunden würde und deshalb verhalten sich auch viele dementsprechend. Ich versuche mich von diesen Definitionen insofern zu lösen, dass ich keine Lust mehr habe darüber aufzuklären, dass eine Frau genau dies oder jenes kann, sondern ich bin einfach ich und verhalte mich dann vielleicht für einige Menschen eher weiblich. Das ist mir aber relativ wurscht und ich mache das auch nicht, weil ich queer bin, sondern sondern ich mache das, weil ich Tarik Tesfu bin, und Tarik Tesfu verhält sich halt so, wie er es gerne möchte. Trotzdem bin auch ich nicht frei von diesen Dingen. Ich bin nicht der Über-Gender-Typ, sondern merke, dass das auch mir manchmal schwerfällt, wenn ich dann als eher weiblich gelesen werde, dass ich dann wieder denke „Aber ich bin doch ein Typ!“ Aber was ist daran so schlimm, wenn alle denken, du bist scheinbar eine Frau, weil du auf Typen stehst. Lass doch die Leute denken, ich bin sowieso schon weiter und denke in Charaktereigenschaften! Ich bin zum Beispiel auch gerne laut. Ich bin auch mal gerne im Mittelpunkt und ich bin auch manchmal dominierend in meinem Verhalten, wenn es die Situation zulässt. Genauso finde ich aber Dinge, die als eher weiblich konnotiert sind – zuhören und Empathie zeigen können oder fürsorglich sein – dass das Key-Eigenschaften sind. Das sind keine weiblichen Eigenschaften. Jeder verdammte Mensch soll empathisch sein können. Jeder Mensch soll zuhören können. Und wenn es die Situation erlaubt, dann soll auch jeder Mensch verdammt noch mal auf den Tisch hauen können dürfen und sagen „Ich habe gerade keinen Bock mehr auf empathisch sein!“ 
Fabian: Es ist ja auch ein Problem, dass wir Mann sein und Männlichkeit gleichsetzen. Ein Mann sein sagt etwas über deine Biologie aus oder über deine Geschlechtsidentität. Männlichkeit ist ein Sammelbegriff für die Eigenschaften, die wir dem Mann in unserer Kultur, in unserer Gesellschaft zuschreiben. Ich wünsche mir, dass wir diese Eigenschaften erweitern. Schon allein der Begriff Männlichkeiten ist eine Provokation für Männlichkeit, weil die ja ganz klar festgeschrieben ist. Es muss einfach möglich sein, Alternativen zu leben, ohne diskriminiert zu werden oder gesagt zu bekommen „Du bist kein richtiger Mann!“ 
Tarik: Man muss sich von diesen Zuschreibungen radikal entfernen. Es ist auch so, dass für einige Männer, also homosexuelle Männer, aber bei heterosexuellen Männern noch stärker verankert, es wirklich der Untergang ist, wenn irgend etwas vermeintlich Weibliches in der Charakterinszenierung sichtbar wird. Wir leben in einer Gesellschaft, in der immer noch gesagt wird „Verhalte dich doch nicht wie ein kleines Mädchen“. In einer Gesellschaft, in der eine Form von Geschlechtsidentität scheinbar das absolute Downgrade ist, besonders für eine Person, die sich als Mann definiert. Du bist ja auch eine alte Mode-Eule, Fabian. Allein die Tatsache, dass das irgendwie hip ist, mit einer Boyfriend-Jeans durch die Gegend zu rennen. Aber was passiert denn, wenn der Boyfriend mal das Top von der Freundin anhat? Da ist da was los auf der Straße! Allein, dass wir 2020 das immer noch nicht hinbekommen haben, das es total legitim ist, dass ein Mann auch einen Rock trägt. Es ist doch einfach nur ein verdammter Stoff, der auf einmal ein Geschlecht bekommen hat. Wieder von dieser Person, mit der ich noch nie gesprochen habe! Am Ende kann es doch total wurscht sein, wenn ein Mensch, der sagt „Hey, ich bin ein Typ und ich finde es geil ein Mann zu sein, aber ich finde es auch genauso geil, mit einem Rock oder mit Pumps durch die Gegend zu laufen.“ Davon sind wir noch so weit entfernt. Aber da müssen wir hin. Da bin ich total bei dir. 
Fabian: Aber das ist genau der Punkt. Wir sehen Weiblichkeit immer nur in Abhängigkeit von Männlichkeit und natürlich auch alle anderen Geschlechter. Männlichkeit ist immer auch die konstante Ablehnung von allem, was weiblich ist. „Sei keine Pussy“ und auch keine Heulsuse und bloß kein Frauenversteher! Wenn ein Mann sich verhält, wie man eigentlich erwartet, dass sich eine Frau verhält, degradiert er sich vom starken Geschlecht zum schwachen Geschlecht, währenddessen eine Frau sich vom schwachen Geschlecht zum starken Geschlecht upgraden darf, indem sie zum Beispiel einen Hosenanzug anzieht, weil sie dadurch ernster genommen wird, weil sie Männlichkeit imitiert.

Tarik: …aber auch nur, wenn sie schlank ist. Schlank muss sie sagen und am besten weiß… 
Fabian: …dennoch ist eine Frau in der Boyfriend-Jeans akzeptierter als ein Mann, der sich eine Hose anzieht von seiner Freundin und dann sagt „Ich trage eine Girlfriend-Jeans“. Also stell dir mal vor ein Typ würde sagen „Meine Skinny Denim nenne ich ab heute Girlfriend-Jeans.“ Das würde absolut nicht funktionieren, das wäre eine Lachnummer, weil es lächerlich ist, sich als Mann Eigenschaften auszuleihen, die eigentlich für die Frau gelten und insofern ist traditionelle Männlichkeit absolut frauenfeindlich. 
Tarik: Total. Ich meine, denk doch bitte an die Zeit als die Skinny Jeans rauskam. Wer hat denn die Biester als Erstes getragen? Es waren doch auch wieder die Queers, die queeren Männer, weil alle anderen Typen gesagt haben „Ganz ehrlich? Was für eine Hose!“ Jetzt, wo schon wieder die, die ein bisschen was von Mode verstehen sagen „Ganz ehrlich Leute, das kannst du nicht mehr tragen, Skinny ist over!“, jetzt kommen die ganzen „Heten-Boys“ um die Ecke und tragen die Skinny mit Ihren Flipflops. Ich erinnere mich daran, als ich Jugendlicher war… man sieht es mir nicht an, aber ich bin schon über 30! (lacht) Ich habe mich gut gehalten! Als die Flipflops rauskamen, da war ich natürlich im Ruhrgebiet damals der Erste, der mit den Dingern durch die Gegend gelaufen ist. Was meinst du, was alle meine Hetero-Freunde gesagt haben? „Männer, was sind das für komische Schuhe? Die trägt doch keiner! Das sind doch Frauenschuhe! Und jetzt, ganz ehrlich, würde ich mir wünschen, dass die einfach keiner mehr trägt. Aber jetzt kommen sie alle damit um die Ecke. Da merkt man doch wieder, dass etwas, das noch vor Jahren irgendwie als vermeintlich weiblich und uncool galt – denn du hast vollkommen recht, dass auch immer Weiblichkeit als etwas Uncooles gibt, wenn Männer sich so verhalten sollen – jetzt Mode ist, also für den Mainstream Mode ist. Jetzt tragen auch Männer skinny Hosen. Und deswegen, weißt du Fabian, deswegen habe ich Hoffnung. 
Fabian: Dieser Podcast ist ja dadurch auch ein guter Ort, weil man auch mal Typen sagen kann „Ihr haltet euch eigentlich euer Leben lang an ein Regelwerk, das euch so limitiert, dass euch so wenig gibt von der Person, die er vielleicht sein könntet, weil ihr ständig nur abgleicht: Ist das, was ich gerade mache, männlich oder nicht?“ Das enttarnt ja Männlichkeit auch als sehr fragil, als ständig gefährdet. Schon allein wie du ein Glas hälst oder welches Oberteil du trägst oder mit welcher Stimme du sprichst oder wie du gehst oder mit welchen Leuten du abhängst oder welche Musik du hörst. Du kannst ja den ganzen Tag eigentlich Männlichkeit gefährden, wenn du dich nicht ganz klar an das hälst, worauf wir uns alle einmal geeinigt haben. 
Tarik: Uns hätte in 2020 auch einiges erspart bleiben können in punkto Skinny Jeans. Diese Phase hätten wir schon alle hinter uns haben können. Aber nein. Weil einige Männer es damals als uncool empfunden haben, muss ich mir das jetzt immer noch auf der Straße ankucken. Danke, Patriarchat. Aber ich bin ja auch Teil dieses Systems und denke „Okay, ist das jetzt ein touch too much was ich da an anhabe? Ist das noch irgendwie in einer Range, die dann immer noch von außen als vielleicht ein bisschen crazy angesehen wird aber trotzdem noch als einigermaßen der Norm entsprechend?“ Das ist auch das Ding, warum ich nicht so die Lust habe über Männlichkeit zu sprechen, obwohl ich merke, dass allein dieses Gespräch mir schon wieder so viel bringt. Denn natürlich beschäftige ich mich auch mit Männlichkeiten, weil ich mich davon ja nicht losschreiben kann. Als schwuler Mann wurde mir schon so oft Männlichkeit abgesprochen, dass ich dann irgendwann gedacht habe „Leute, dann macht euren Scheiß alleine! Ich bin raus!“ Ich muss kein Spiel spielen. Ich muss nicht irgendwelche gesellschaftlichen Normen erfüllen, die überhaupt nicht zu meinem Charakter passen. Wartet ihr doch drei Jahre bis ihr eure Flipflops tragt, oder wartet irgendwie fünf Jahre, bis es dann vielleicht doch okay ist, dass man das man nicht immer nur breitbeinig irgendwo in der Ecke abhängen muss. Macht das. Ich finde aber interessant, dass ich bei meiner Hautfarbe anders denke. Diese Idee Schwarze können nicht Deutsch sein. Natürlich bin ich deutsch! Natürlich lasse ich mir das nicht nehmen! Ich glaube aber, dass ich da so eine Vehemenz an den Tag lege, weil es für mich da auch keine Grauzonen gibt oder keine Range von „ein bisschen deutsch“, „halb-deutsch“, „ein Viertel deutsch“. Man ist es einfach! Bei Geschlechterrollen ist es aber nicht so. Da gibt es dieses riesengroße Spektrum und dieses Spektrum heißt Freiheit. Und deshalb möchte ich wirklich allen, allen Männern oder Menschen, die sich als Männer definieren, auch sagen „Hey, nutzt dieses Spektrum! Ihr helft euch damit selbst! Ja, es macht euch glücklicher, euch freizumachen. Ihr empowered damit andere Männer, weil die auch merken, dass man den ganzen Mist gar nicht toll finden muss, den man angeblich so toll finden muss. Ihr empowered damit die Frauen, ihr empowered damit nichtbinäre Menschen, ihr empowered damit einfach alle. Ihr seid einfach ein Vorbild, indem ihr sagt „Ich bin ich und natürlich bleibe ich immer auch Ergebnis meiner Gesellschaft und Ergebnis meiner Erziehung. Aber zumindest nehme ich was die Geschlechterrollen anbelangt das Zepter in die Hand und mache mein Ding!““ Und wenn am Ende dabei herauskommt, den ganzen Tag rohes Fleisch essen zu wollen und ein Holzfällerhemd zu tragen und mit ganz tiefer Stimme sprechen zu wollen… 
Fabian: …und Barber-Shop und Barista-Ästhetik zu feiern… 
Tarik: … genau, dann ist das in Ordnung. Aber beginne bitte nicht alle anderen, die keine Lust auf rohes Fleisch haben, zu sagen „Du bist nicht richtig! Sei der härteste Typ!“ 
 Fabian: …aber lass mich zart sein! 
Tarik: Ja, und tu nicht so, als wäre das der Status Quo, denn das bist nur du!

Fabian: Hast du manchmal das Gefühl, oder ist es eine Wahrheit, dass, dadurch, dass du Schwarz bist, für dich nochmal andere Männlichkeitsanforderungen gelten als für weiße Männer? 
Tarik: Andere Anforderungen? 
Fabian: Dass man von dir erwartet oder dir unterstellt, durch deine Hautfarbe, dass du der krasse Basketballspieler bist oder dass du der Aggressor bist oder der Athlet… 
Tarik: (lacht) …ich bin halt sehr athletisch! Was soll ich tun? Ich meine die Körbe versenke ich halt einfach. Nein, was ich halt schon interessant finde, dass ich trotz, dass mich Leute aufgrund meiner Hautfarbe als Gefahr wahrnehmen. Wenn ich abends durch die Stadt laufe und es ist halt nicht Berlin, dass Leute wirklich die Straßenseiten wechseln. Besonders Frauen oder Menschen, die eine Handtasche tragen und das sind eben meistens Frauen, halten ihre Handtasche auch wirklich fest. Und ich denke „Leute, kuckt mich mal an! Was soll ich euch bitte schön tun? Ich bin gerade ziemlich mit mir selbst beschäftigt. Ich werde euch nicht eure Ledertaschen wegreißen, weil die so sensationell ist und ich es mir nicht leisten könnte!“ So etwas bemerke ich schon und das überrascht mich auch immer sehr, weil ich finde, ich strahle sehr, sehr viele Dinge aus. Aber Gefahr sicherlich nicht. Was ich schon auch habe sind diese Klassiker wenn ich zum Beispiel sage, dass ich super gerne tanze und Leute antworten mit „Naja, ist ja keine Überraschung. Den Rhythmus habt ihr ja im Blut!“ Ich bin auch ein richtig guter Läufer. Da sagen viele nicht nicht „Hey du kannst voll gut laufen!“, sondern es wird halt immer gesagt „Naja, aber das liegt euch ja auch im Blut.“ Nein! Ich laufe einfach richtig gut, weil ich einfach richtig gut laufen kann. Und ich tanze halt gut, weil ich halt gerne tanze. Und alle Menschen, die gerne tanzen wollen, können ja auch tanzen. Männer tanzen ja aber nicht. Männer bewegen sich nicht rhythmisch. Aber die bekanntesten Balletttänzer sind ja dann auch Typen. Es ist Bullshit zu sagen „Männer können nicht tanzen“. Männer wollen halt oft nicht tanzen… 
Fabian: …sie dürfen nicht tanzen! 
Tarik: Oder sie dürfen nicht tanzen, weil uns das eben auch erzählt wird, dass Männer das nicht tun. 
Fabian: Und das Schlimme ist, Sie verbieten es sich selbst. 
Tarik: Schrecklich! Und dabei ist Tanzen doch etwas Wunderbares.

Fabian: Tanzen ist Freiheit!

Tarik: Ja! Geht mal richtig ab und zeigt mal ein paar mehr Moves im Club statt einfach nur zu klatschen. 
Fabian: Vielleicht ist der erste Schritt traditioneller Männlichkeit zu entkommen und neue Männlichkeiten zu entdecken, wenn Männer einfach damit beginnen sich zu trauen tanzen zu gehen?

Tarik: Auf jeden Fall! 
Fabian: Ist doch ein 1A-Tipp! Ist es unsere Aufgabe als queere Personen die Leute darauf aufmerksam zu machen „Entschuldigung, das ist vielleicht gerade nicht rassistisch oder homophob gemeint, aber du bist es leider!“ Also wann sagst du das? Und zu wem? Und wann schickst du einfach nur so einen Link zur Antidiskriminierungsstelle? 
Tarik: Ich finde eigentlich ist es nicht unsere Aufgabe. Aber wenn wir es nicht tun passiert nichts. Man lebt in einem System, das diskriminierend ist und dann soll man selber auch noch den Weg raus finden für alle anderen. Ich soll jetzt dafür sorgen, dass ihr aufhört weniger rassistisch zu sein? Das mache ich schon durch meine Arbeit. Ich finde es auch unfassbar wichtig, dass ich mich zu Rassismus äußere und dass sich eine Person, die eine Frau ist etwa zum Thema Sexismus äußert. Das ist schon alles richtig, das ist auch der Sinn von Repräsentation. Aber ich bin eben auch nicht die Antirassismus- oder Antiqueerfeindlichkeitsbehörde in Deutschland. Außerdem bin ich auch nicht die erste Person, die sagt „Passt mal auf Leute, hier läuft etwas schief!“ Es ergibt auch immer Sinn zu sagen „Hey, lies doch mal bitte das durch. Geh mir nicht auf den Sender!“ Da muss jeder Mensch sehen, wie es gerade für die jeweilige Person passt. Und es ist auch vollkommen in Ordnung, mal zu sagen „Ganz ehrlich, halt die Klappe! Ich habe da jetzt kein Bock drauf!“ Das kann man aber leider nicht bei allen Leuten machen. Wenn sich z.B. der Chef, die Chefin beschissen verhält, dann können viele Leute nicht sagen „„Ciao-Kakao“, ich bin hier raus, ihr macht hier nur Mist!“ Das heißt, oft muss man dann auch vielleicht wieder eine andere Strategie finden, sich irgendwie Allies suchen, Verbündete. Wer ist vielleicht noch bei der Arbeit oder in meinem Bekanntenkreis, der mir helfen kann? Schaffe ich es vielleicht doch aus so einem toxischen Arbeitsverhältnis heraus? Nicht alle Leute haben die Energie immer zu Diskutieren. Ich aber kann einfach sagen „Ich hab keinen Bock auf eure rassistische, queerfeindliche Kacke. Ich bin weg!“ Das heißt es ist auch ein Privileg, das ich habe. Ich habe dieses Privileg definitiv mir überlegen zu können, wie ich auf gewisse Leute reagieren möchte. Wen ich mitnehmen möchte. Was Teil meiner Arbeit wird. Denn es ist ja auch nicht so, dass ich alle meine Erfahrungen, die ich als Schwarzer queerer Typ mache, auch automatisch Teil meiner Arbeit werden lasse. Ich möchte nicht nur als der wahrgenommen werden, der irgendwie rassistisch und queerfeindlich angegangen wird. Ich habe das Privileg filtern zu dürfen, was ja auch viele Menschen eben nicht können. Deswegen würde ich wirklich alle einladen zu sehen, was sie selbst an Energie geben können. Aber eigentlich müssen die, die sich rassistisch verhalten, diese Energie aufnehmen. Wirklich oft wird gefragt was die Betroffenen tun können. Aber die, die halt die Scheiße bauen, werden ganz oft nicht gefragt. Denn es ist auch eigentlich gar keine Frage. Die sollen einfach aufhören, sich queerfeindlich, rassistisch oder sexistisch zu verhalten. Und der Weg dahin ist eine Kombi aus den Leuten zuzuhören, aber auch ganz, ganz, ganz, ganz viel selbst Hausaufgaben machen. Und ich bin gerne bereit, einen kleinen Schulzettel zu schreiben…

Fabian: Oder eine Linkliste! 
Tarik: Eine Linkliste, genau aber auch nicht mehr für alle. Da müsste man auch schon selbst durch. Die allererste Aufgabe ist zu akzeptieren, dass wir uns alle diskriminierend verhalten. Dass Rassismus und Queerfeindlichkeit nicht erst bei der AfD anfangen. Dass wir alle Teil des Problems sind und dass man noch lange kein Rassist oder Sexist ist, nur weil man sich sexistisch, rassistisch oder queerfeindlich verhält. Das ist ein großer Unterschied zwischen Verhalten und wirklichem Sein! … 
Fabian: Da sind wir uns einig, Tarik! Vielen Dank für deine Zeit! 
Tarik: Danke dir!

Fabian: Tarik hat mittlerweile aus dem Studio gefunden, das ist auch gut so. Denn wie schon gesagt, haben wir das Interview vor ein paar Wochen bereits aufgezeichnet. Seitdem ist mir immer wieder diese Formulierung „wir möchten eine Plattform bieten” oder „anderen eine Bühne geben” begegnet, gerade durch Black Lives Matter viel mehr als sonst, aber natürlich auch durch den Pride Monat Juni und auch durch Corona. Das Jahr 2020 hält uns allen den Spiegel vor und enttarnt viele noch gültige Machtverhältnisse, Strukturen, Institutionen und Traditionen unserer Gesellschaft als rückständig oder grundlegend falsch. Das Patriarchat ist, wie auch Rassismus, eine Dominanzkultur. Auch dieses Gerede um „an den Tisch eingeladen werden”. Das ist gut gemeint, aber beherbergt einen so krassen Hoheitsanspruch und Arroganz. Das Problem ist doch, dass da Menschen sitzen, nennen wir sie das Heteropatriarchat, die denken es gäbe nur diesen einen Tisch, der ihnen gehört und die anderen – Schwarze Menschen, queere Personen, LGBTI, Frauen, Menschen mit Behinderung, People of Color, – die stehen da nur so rum – oder wie? Kuckt euch doch mal um. Da sind noch andere Tische. Und da sitzen auch Leute. Ihr müsst nur aufstehen und auch mal fragen, ob ihr euch dazusetzen dürft statt nur Einladungen zu verteilen, die so oft dann doch nur Duldungen sind. Danke dafür, aber nein danke, euer Tisch, der wackelt ganz schön. Das ist jetzt sehr bildhaft, aber ich meine das außerdem auch wörtlich. Ich habe schon für Redaktionen gearbeitet, da wurde ich aus Redaktionskonferenzen ausgeladen, weil meine Themen „zu speziell” waren. Einmal habe ich ein Interview mit dem Jazz-Sänger Rufus Wainwright geführt und das Feedback vom Textchef oder war es der Redaktionsleiter war „Die Antworten sind bisschen schwul.” Ich hab dann da schweren Herzens aufgehört zu arbeiten. Einen Monat später ging ich mit meinem eigenen Online-Magazin FabianHart.com online. Und jetzt werde ich für die Themen gelesen und mittlerweile gehört, für die ich früher ausgeladen wurde. Fühlt sich ganz nice an. Worüber ich auch lange nachgedacht habe ist, dass mir das Tanzen fehlt. Die Clubs in Brooklyn, ich wollte unbedingt noch ins Public Records in Gowanus – Und tanzende Männer, die sind doch ganz schön rar. Öffentlich tanzen ist generell schon schambehaftet. “Dance like nobody's watching” ist ja nicht umsonst ein Hashtag, der deine Bewegungsfreiheit entschuldigt. Aber als Typ ist Tanzen schon fast eine Mutprobe und wenn Mutproben krass männlich besetzt sind, dann kann man es doch einfach mal machen, also wenn wir’s wieder dürfen. Das ist eine gute Stilübung für alle. Mehr zu Tarik, seiner Late Night Show und seinen aktuellen Plänen findet ihr auf seinen Social Media, etwa auf Instagram @tesfu_tarik, ihr findet aber alle Infos auch verlinkt in den Shownotes zu dieser Folge. So, und wer nächstes Mal zu Gast ist, das sag’ ich euch in genau 1 Minute und 30 Sekunden.

Werbung I Dr. Hauschka Und wir sind zurück in der Werbung – bei Dr. Hauschka und noch genauer bei mir zu Hause, direkt in meinem Badezimmer. Und weil ich wirklich viel auftrage, also mal creme ich, mal klopf’ ich ein und manchmal lass ich einfach nur einwirken, fand’ ich die Idee ganz gut euch ein paar meiner Dr. Hauschka Favoriten vorzustellen und gleichzeitig was ich genau damit mache. Mein Hautbild habe ich euch ja in Folge 1 schon gemalt: die Geschichte vom eingefetteten Kuchenblech, ihr erinnert euch? Da habe ich nämlich ein paar wirklich nette Kommentare dazu bekommen und gelernt Mischhaut ist kein Einzelschicksal. Im Prinzip sind wir doch alle sensible Körper mit Mischhaut, oder? Etwas, das ich unter jede Pflege auftrage, einfach der zusätzlichen Feuchtigkeit wegen, ist das “klärende Gesichtstonikum”, das für jede Haut toll ist, aber vor allem für eher fettige Haut und Mischhaut. Da ist zum Beispiel Ringelblume drin, Wundklee, Kapuzinerkresse und wieder Gänseblümchen, ein ganzer Gartensalat also. Die Heilpflanzen-Kombi wirkt super gegen zu viel Talgproduktion und das Tonikum eignet sich übrigens auch als Rasierwasser, weil durch die Rasur natürlich auch immer wieder Irritationen oder sogar kleine Entzündungen entstehen können und ihr erinnert euch ja auch: Dr. Hauschka ist für alle Geschlechter, hier wird nicht gegendert. Wer hier das Make-up auffrischt oder nass rasiert steht hier überhaupt nicht zur Debatte. Die Anwendung ist easy: einfach aufs Gesicht, den Hals, Nacken und das Dekolleté sprühen und leicht mit den Händen andrücken. Und ja, auch Männer haben ein Dekolleté. Mehr zum “klärenden Gesichtstonikum” findet ihr in den Shownotes und mehr klärende Pflegegespräche hört ihr in der nächsten Folge...

Werbung I Dr. Hauschka Und wir sind zurück in der Werbung – bei Dr. Hauschka und noch genauer bei mir zu Hause, direkt in meinem Badezimmer. Und weil ich wirklich viel auftrage, also mal creme ich, mal klopf’ ich ein und manchmal lass ich einfach nur einwirken, fand’ ich die Idee ganz gut euch ein paar meiner Dr. Hauschka Favoriten vorzustellen und gleichzeitig was ich genau damit mache. Mein Hautbild habe ich euch ja in Folge 1 schon gemalt: Abmoderation Folge 2

Das war „Zart Bleiben” die Zweite. In der nächsten Episode ist ... Herbert Grönemeyer zu Gast und ich finde, das ist ne ganz schöne Ansage und ganz schön ne Ansage. Ich meine Herbert Grönemeyer ist einfach mal deutsche Popkultur. Vor fast vierzig Jahren erschien „Männer” und seitdem muss dieser Song herhalten wann immer deutschsprachige Medien versuchen zu erklären wie Männer so ticken. Kann er diesen Song selbst eigentlich noch hören und wie viele Studierende der Gender Studies haben dieses Lied in ihrer Bachelor-Arbeit zitiert? Das hätte ich Tarik noch mal ragen sollen. Nächstes Mal also „Zart Bleiben – mit Herbert Gröneymeyer”. Bis dahin bin ich natürlich für euch erreichbar. Für jede Form von Feedback, am Allerliebsten natürlich für wohlwollende. Ne kleine Direktnachricht auf Instagram @fabianhart oder eine Email an zartbleiben@fabianhart.com: macht einfach mal. Achso und wo wir schon bei Engagement und Aktionismus sind: abonniert „Zart Bleiben” doch auf Spotify oder Apple Podcasts, also ehemals iTunes. Darüber würd ich mich so freuen, vor allem, wenn ihr „Zart Bleiben” auch bewertet und cute 5 Sterne gibt und vielleicht sogar einen kleinen Kommentar schreibt? Ich freue mich von euch zu lesen und zu hören und bis dahin – bleibt zart! Euer Fabian Hart.

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